Barfuß-Schuhe sind nur etwas für Fortgeschrittene

Heute gab es bei uns im Kölner Stadt-Anzeiger ein Interview mit Herrn Prof. Dr. Gert-Peter Brüggemann, er ist Leiter des Instituts für Biomechanik und Orthopädie an der Deutschen Sporthochschule Köln. Das Interview wurde geführt von Sven Winterschladen.

Herr Professor Brüggemann, wie bewerten Sie die Schuhe, die das Barfuß-Laufen nachempfinden sollen?
Brüggemann: Grundsätzlich ist das Barfuß-Laufen kritisch zu sehen, wenn man nicht daran gewöhnt ist und damit das Herz-Kreislauf-System trainieren möchte. Die Strukturen des Fußes werden damit überlastet. Zum eigentlichen Ziel des Trainings kommt man auf diesem Weg nicht. Zum Joggen eignen sich die Barfuß-Schuhe also keinesfalls.

In der Werbung wird versprochen, dass die Füße durch das Tragen von Barfuß-Schuhen auf unebenem Untergrund stärker durchblutet, gefördert und gefordert werden. Können Sie das bestätigen?
Brüggemann: Nein, dazu gibt es keinen wissenschaftlichen Befund. Im Gegenteil sogar. Ich glaube, dass der Fuß dadurch stärker strapaziert wird. Wenn ich meinen Fuß trainieren will, kann ich auch direkt barfuß gehen. Die Schuhe, über die wir hier sprechen, sind ja im Grunde nicht mehr als verstärkte Socken. Vielleicht sind sie ein Schutz vor Scherben oder Splittern. Aber sie sind nicht zum Laufen gedacht.

Sind die Barfuß-Laufschuhe also nur ein Trend der Industrie, der gar nicht sinnvoll ist?
Brüggemann: Noch mal: Ich bin der Meinung, dass das für den nicht-gewohnten Barfuß-Läufer keinen Sinn macht. Es sei denn, ich habe viel Zeit und gewöhne mich an die Barfuß-Situation, nachdem ich sie mir viele Jahre lang abgewöhnt habe. Aber dann nehme ich in Kauf, dass ich mein eigentliches Ziel zunächst nicht verfolgen kann, also ein Ausdauertraining. Der Fuß muss seine Strukturen erst den neuen Gegebenheiten anpassen. Und das kostet Zeit. Das kostet Monate. Das kostet Jahre.

Wie trainiert man seinen Fuß für das Barfuß-Laufen?
Brüggemann: Auf jeden Fall nicht mit langen Ausdauerläufen. Wenn Sie im Urlaub mal barfuß am Strand gehen, tun Ihnen danach wahrscheinlich die Füße weh, weil Sie es nicht gewohnt sind. Um die Fußmuskulatur dafür speziell zu trainieren, geht man in den Kraftraum, in den Sand oder auf die Wiese. Und fängt man langsam an. Erst nur ein paar Minuten.

Was empfehlen Sie also, wenn man joggen gehen will?
Brüggemann: Wir haben in den vergangenen Jahren zum Glück eine sehr gute Entwicklung der Laufschuhe erlebt. Lange stand eine gute Dämpfung im Mittelpunkt. Jetzt wird eher darauf geachtet, dass die natürliche Gelenkbewegung unterstützt wird. Ich möchte ausdrücklich betonen, dass ich damit nicht das sogenannte „Natural running“ meine, es gibt kein „natürliches Laufen“. Das ist Quatsch, auch die Bezeichnung ist semantisch falsch. Laufen ist eine natürliche Form der Fortbewegung. Aber es ist wichtig, dass die Gelenkbewegungen so möglich sind, wie sie beim Laufen sein sollten. Durch den Schuh sollte das nicht verändert werden. Das ist auch die Strategie, die heute verfolgt wird. Und da haben wir viele vernünftige Produkte auf dem Markt. Das wird dann logischerweise dazu führen, dass langfristig viele der Überlastungsprobleme beim Laufsport reduziert werden.

Also sind die aktuellen Modelle auch für reine Asphalt-Läufe geeignet?
Brüggemann: Absolut. Es gibt keinerlei wissenschaftliche Befunde für die These, dass es einen Unterschied gibt, ob man auf weichem Waldboden oder verdichtetem Asphalt läuft – mit vernünftigen Schuhen. In diesem Fall konnte nicht nachgewiesen werden, dass die Verletzungsgefahr auf hartem Untergrund höher ist. Das heutige Material ist einfach so gut, dass keine Probleme auftreten sollten.

Besonders verbreitet sind die „Nike free“-Modelle. Ist das ein Zwitterding zwischen Barfuß-Laufschuh und Freizeitschuh?
Brüggemann: Nein, überhaupt nicht. Das ist ein völlig unikates System. Mit diesen Schuhen soll der Fuß bewusst belastet werden. Diese Modelle wurden konzipiert, um die Muskulatur des Fußes zu trainieren. Das sind also weder Lauf- noch Straßenschuhe. Im Grunde ist das der Kraftraum für den Fuß.

Und wann zieht man diese Art der Schuhe an?
Brüggemann: Da gibt es vielfältige Möglichkeiten. Zum Beispiel zum Einkaufen. Da nutzt man den Schaufensterbummel, um den Fuß gleichzeitig zu trainieren. Aber natürlich kann man ihn auch zum Training im Fitnessstudio anziehen. Man kann ihn sogar ab und zu mal zum Laufen tragen. Aber dann sollten Sie auf keinen Fall lange Strecken laufen. Gerade wenn der Fuß in keiner Weise daran gewöhnt ist. Prinzipiell sind sie aber nicht zum Joggen konzipiert. Diese Schuhe simulieren definitiv das Gehen und das Bewegen barfuß auf Rasen. Dafür ist er gemacht. Wenn Sie mal barfuß auf Rasen gehen, merken Sie, wie Ihr Fuß arbeiten muss. Bis heute ist es keinem anderen Schuh strategisch gelungen, dieses Gefühl so perfekt nachzuempfinden.

=============================================================================================

Dieses Interview habe ich aus der heutigen (11.06.2013) Ausgabe des Magazins im Kölner Stadt-Anzeiger entnommen. Da kann man natürlich wie immer sehr geteilter Meinung sein. Sicherlich richtig ist, das sich diese Schuhe nur wirklich für bereits trainierte Füße und Körper eignen, dann kann man sie aber sicherlich auch auf langen Strecken nutzen. Ich habe mir vor ein paar Wochen die Saucony Hattori gekauft und bin am Sonntag zum ersten Mal damit unterwegs gewesen. Nur eine kleine Runde von 9 Kilometern zum Bäcker.

Bäckerrunde mit Saucony Hattori

Das Laufgefühl ist natürlich völlig anders, man setzt den Fuß fast automatisch anders auf und ja es stimmt, es werden die Muskeln und Sehnen ganz anders belastet. Das musste ich dann gestern Abend spüren, ich hatte so schwere Beine, das an ein Tempotraining nicht zu denken war. Ich trage nun ja auch schon seit Jahren in der Freizeit und auch im Büro die Nike Free 3.0 und als ich damit angefangen habe, vor bestimmt 4 Jahren, hatte ich anfangs auch einige Probleme mit der Achillessehne. Meiner Meinung nach, sollte man nicht blind auf diesen Trend aufspringen, sondern das wirklich über einen langen Zeitraum „trainieren“, wie es auch der Prof. Dr. Brüggemann in dem Interview gesagt hat.

Laufmeister – Immer schön laufen lassen!

2 Kommentare

  1. Vom wem geht Brüggemann da aus? Von der bewegungsträgen couchkartoffel mit puddingfüßen? (Aber solche leute schaffen eh keine langen ausdauerläufe und sollten es erst mal mit spazieren gehen versuchen ….)

    „Das kostet Jahre“?? Also zunächst mal sollten kleine kinder, wenn sie laufen lernen, gleich barfuß laufen lernen, dann brauchen sie später nicht die „Jahre“ – aber selbst wer es nicht gewöhnt ist, braucht sicher keine „Jahre“, sondern nur tägliche trainingseinheiten, die ganz allmählich ausgebaut werden.

    Es wäre vermutlich ein fehler, wenn jemand versucht, barfuß zu RENNEN, ohne vorher überhaupt in der lage ist, auf unebenem untergrund barfuß zu GEHEN. Wenn das nicht mal geht, sollte der dafür notwendige vorfußlauf erst ganz langsam angeeignet werden. Aber so weit weg ist das nicht, wie Brüggemann suggeriert. Bei mir kam es ganz natürlich und auch völlig ungeübte sind in ein paar wochen so weit.

  2. Also ich bin heute Wettkampf komplett barfuß gelaufen. Ich weiß auch überhaupt nicht, wieso ständig bei solchen Experten der Begriff Barfußschuhe fällt. Also entweder man ist barfuß, oder man trägt Schuhe! Beides zusammen schließt sich aus, es seit denn, man hat an einem Fuß einen Schuh und am anderen nichts… 😉

    Wahrscheinlich meint er Minimalschuhe. Das wäre der korrekte Begriff.

    PS: Der Shit mit dem Eingabecode ist echter Sackgang bis es mal funzt!

Schreibe einen Kommentar

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..